Weibliche Lebensrealitäten sind mit einer gestaltenden Rolle in F&I nach wie vor oft nur schwer vereinbar

Trotz gestiegener Absolventinnen-Zahlen an den Universitäten und Fachhochschulen finden sich noch immer relativ wenige Frauen in der anwendungsorientierten Forschung, zumal in einer gestaltenden Rolle: So sind beispielsweise deutlich weniger Frauen als Unternehmerinnen, Führungskräfte im naturwissenschaftlichen oder Technologiebereich oder als Leiterinnen drittmittelfinanzierter Projekte tätig, als dies unter Männern der Fall ist. Diese Unterrepräsentanz schlägt sich auf unterschiedlichen Ebenen des F&I-Systems nieder. Sehr deutlich fallen etwa die Befunde in einer Studie zu Frauen und Patenten des Europäischen Patentamts (2022) aus, welche feststellte, dass in Österreich zwischen 1990 und 2019 lediglich 8% aller Patente von Frauen angemeldet wurden – Österreich ist damit europaweites Schlusslicht.

Die weibliche Unterrepräsentanz in der angewandten F&I fußt auf einem Zusammenspiel aus individuellen und strukturellen Faktoren. Zu ersteren zählt in hohem Maße die Studienwahl: Als Folge des geringen Frauenanteils in MINT-Fächern sind entsprechend wenige Frauen im akademischen technisch-naturwissenschaftlichen Bereich beschäftigt. Frauen, die sich dennoch in diesen Bereichen etablieren, finden oftmals männlich dominierte Arbeitsumfelder vor, in welchen sie sich behaupten müssen. Eine Studie von WPZ Research (2024) legt nahe, dass die Organisationskultur und fehlende Unterstützung von Forscherinnen als zentrale Hindernisse auf dem Weg in eine gestaltende Rolle gesehen werden.

Zu den strukturellen Faktoren zählt zudem die Ausgestaltung des Berufs der Forschenden. Dieser geht nach Goldin (2023) in Richtung „greedy work“ – eine Arbeit, die den Beschäftigten hohen Zeiteinsatz und bisweilen auch ständige Erreichbarkeit abverlangt, häufig auch internationale Mobilität erfordert. Damit erweist sich eine Forschendenkarriere oftmals als unvereinbar mit weiblichen Lebensrealitäten, insbesondere wenn die Frau familiären Betreuungstätigkeiten nachgeht.

Hier zeigt sich vor allem im österreichischen Kontext der Effekt einer Mutterschaft besonders gravierend: Unter den weiblichen Erwerbstätigen mit Kindern unter 15 Jahren waren im Jahr 2022 insgesamt 73,8% in Teilzeit tätig, unter den männlichen Beschäftigten mit Kindern unter 15 Jahren hingegen nur 7,9% (Statistik Austria, 2023). Tradierte Bilder des Frauseins und vor allem (eigene) Ansprüche an die familiäre Care-Arbeit sind tief in der österreichischen Kultur verankert und beeinflussen selbst die progressivsten Gesellschaftsschichten. Wie nicht zuletzt aus o.g. Studie von WPZ Research deutlich wurde, sind Teilzeitarbeit und ein empfundener Zeitmangel unter Forscherinnen nicht zuletzt einem „schlechten Gewissen“ geschuldet, das oftmals im Zusammenhang mit (Klein-) Kindern oder zu pflegenden Angehörigen in außerfamiliärer Betreuung steht.

Umso wichtiger erscheint es, Impulse zur Bestärkung und Unterstützung zu setzen, sowie spezifische Frauenförderungsaktivitäten anzubieten, welche weiterhin auch im Segment hochqualifizierter Frauen notwendig sind. Zwar sind strukturelle und kulturelle Hindernisse nicht von Einzelkämpferinnen zu verändern; sehr wohl geht es in der Frauenförderung jedoch darum, Frauen geschützte Räume zu bieten, im Rahmen derer sie sich ausprobieren und ihr Selbstvertrauen verstärken können – Dinge, die Männern seit jeher selbstverständlich geboten werden.